Bester Dokumentarfilm
„It is still autumn“ von Farzaneh Fathi.
Eine junge Frau aus dem Iran erzählt aus ihrem brutalen Leben. Als sie sieben Jahre alt war, floh der Vater nach Schweden, die Mutter war mit den sieben Kindern überfordert. Ihr Onkel nahm sich ihrer an, und missbrauchte sie über Jahre.
Um schließlich ihre eigene Flucht nach Schweden zu finanzieren, prostituiert sie sich und findet den Vater als alkoholkranken gebrochenen Mann in Schweden wieder.
Sie macht sich unabhängig von ihrer Familie, bearbeitet ihre Traumata und stabilisiert ihr Leben.
Die Protagonistin ist in dem Film nur zu hören, nie zu sehen. Ihre Erzählung ist bildhaft und die Stimme emotional und authentisch.
Die Frau ist sehr präsent und indem man sie nicht sieht, behält sie trotz der schrecklichen Geschichte ihre Würde.
Der Film hat nichts Voyeuristisches.
Die assoziativen Bilder setzen den Monolog in einen größeren Zusammenhang, wodurch der Film auf eine sehr persönliche Art die aktuellen Ereignisse im Iran widerspiegelt.
Bester Animationsfilm
„Darwin’s Notebook” von Georges Schwizgebels
Der von uns ausgewählte Animationsfilm erzählt die wahre Geschichte dreier Ureinwohner Feuerlands, die nach Europa verschleppt und nach drei Jahren missioniert und “zivilisiert” in ihre Heimat zurück gebracht wurden.
Die Begegnung der südamerikanischen Menschen Feuerlands mit der modernen Welt im 19. Jahrhundert war zerstörerisch und hatte ihre Ausrottung zur Folge.
Morphartige Übergänge der handgemalten Bilder unterstützen die zeitlichen und kulturellen Wechsel zwischen indigenen und europäischen Kulturkreisen.
Georges Schwizgebels Animationsfilm kommt ohne Worte und Wertung aus und zeichnet trotzdem eindrücklich und einprägsam die Darstellung der Kolonialisierung und ihrer Auswirkungen.
Bester Spielfilm
„Bloody Gravel” von Hojat Hosseini
Es gab einige Kurzspielfilme, die die Jury begeistern konnten, aber bei einem waren wir uns sofort einig:
In einer öden Wüstenlandschaft irgendwo zwischen Afghanistan und der iranischen Grenze entwickelt sich ein existentielles Drama um Flucht, Geburt und Tod.
Auch wenn den Zuschauer:innen aus dem westlichen Kulturkreis nicht immer alle kulturellen Moral-Codes geläufig sind, fasziniert der Film mit Wucht und Intensität, authentischer Darstellung und überzeugendem dramaturgischen Timing.
Das Flucht- und Migrationsthema des Films verbindet sich mit Fragen der moralischen Verantwortung sowohl der Protagonist:innen, als auch unserer eigenen.
Jurypreis – Bester Film
„Where the Winds Die” von Pelman Alipour
In einer langen wandernden Einstellung längs eines Baches sehen wir die Spiegelung von Stadbewohner:innen die kurdischen Festivitäten und neckischen Spielen und Romanzen nachgehen, bis plötzlich das Auftauchen von Düsenjägern und seltsame Schwaden allem und allen ein Ende bereiten. Sardahst ist eine kurdische Stadt im Westen von Iran deren Bevölkerung 1987 Opfer eines irakischen Senfgas-Angriffs wurden.
Die aquarellartige Animation besticht durch ein minimalistisches und stringentes Konzept, das in eindringlicher Weise das Grauen widergibt ohne aufdringlich zu werden und das Bild der vielen Opfer auszuschlachten. Wir sehen das Geschehe nur durch die Distanz der Spiegelung des Baches.
Dem iranischen Filmemacher Pejman Alipour gelingt es in ästhetischer Bravour, ein tragisches und bewegendes Stück iranisch-kurdischer Geschichte wiederzugeben und dabei die Grenzen zwischen Animations-, Spiel und Realfilm verschwimmen zu lassen.